Torquay selbst haben wir bisher noch gar nicht richtig kennengelernt, das soll sich nun aber ändern: Wir haben ein paar Stunden Zeit und schlendern zu viert die Promenade entlang. Leider ist es windig, sonst hätten wir vielleicht eine Fahrt mit dem Riesenrad riskiert. Aber es hat den Betrieb eingestellt, und so bleiben wir am Boden. Nun fängt es auch noch zu regnen an … Aber wie sagt der Brite? Das ist „liquid sunshine“, flüssiger Sonnenschein.
Das Seebad Torquay ist das Herzstück der Englischen Riviera und seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Reiseziel. Hier wird es nie richtig kalt, und für britische Verhältnisse ist es geradezu knochentrocken (auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt). Nach einer Hoch-Zeit, die bis in die 1960er Jahre währte, und einem gewissen Niedergang, als Reisen nach Spanien und Co. in Mode kamen, erfand sich Torquay neu – mit Gourmet-Restaurants, Clubs und einer Shoppingmall im historisierenden Stil.
Glücklicherweise hat die Stadt ihren Charme darüber nicht verloren. Nach wie vor gibt es hier die liebevoll und farbenfroh bepflanzten Parkanlagen und den „Pavilion“, der allerdings leer steht. Solche „Pavillons“ sind typisch für englische Seebäder. Anders als der Name vermuten lässt, sind sie prächtige Bauten, die als Kulturzentren gedacht waren. Jahrzehntelang wurde hier Theater gespielt, Akrobaten zugeschaut und getanzt. Nun ist der Torquay Pavilion – ein weißes Wunder mit Kupferverzierung – in die Jahre gekommen und müsste aufwendig restauriert werden.
Jetzt wird es endlich, endlich Zeit für einen Cream Tea. Wir kehren ein im „Burridge´s Café and Tearooms“ am Hafen. Gemütlich ist es hier, eher schlicht als plüschig, und mit Blick auf die Boote und Yachten. Wie wir erst nachträglich erfahren, hat Burridge´s beste Kritiken und gehört einem Sternekoch. Glück gehabt! Wir bestellen ganz bescheiden einen „Mini Cream Tea“. Mini heißt: nur ein Scone, nicht zwei, trotzdem reichlich Clotted Cream und Erdbeermarmelade. Als serviert wird, stellen wir der Kellnerin die entscheidende Frage: „Cream or jam first?“. Was soll zuerst auf den Scone, die Sahne oder die Konfitüre? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: Cream first! Wir sind schließlich in Devon. Wären wir ein paar Kilometer weiter in Cornwall, hieße es: Jam first! Das ist ein Kulturstreit, den die beiden Grafschaften schon lange ausfechten, ohne dass eine Einigung in Sicht wäre. Prinzip ist Prinzip! Wir genießen also unser Scone auf Devon-Art und dazu Tee aus der Kanne, die „bottomless“ zu sein scheint, das heißt: Sie wird einfach nicht leer. Und wir stoßen an auf Rosamunde Pilcher, die uns hierhergeführt hat! Als wir zurück zum Hotel gehen, bricht die Sonne durch die Regenwolken und schenkt uns nicht einen, sondern zwei Regenbogen. Sehr romantisch, könnte fast aus einem ZDF-Film sein.
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Cream Tea mit Rosamunde – eine Reise in Englands Südwesten: Teil 1: Welcome to Torquay
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 2: Lauschiges Looe – und eine böse Möwe
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 3: Prideaux Place: Von Bären und Bentleys
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 4: mit Dampfzug und Fähre
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 6: Nebulöse Aussichten
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 7: Nicht das Ende der Welt, aber des Landes
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 8: St. Ives alias Porthkerris
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