Zweihundert Jahre Kunst
Die National Gallery in London hat Geburtstag. Sie wird am 10. Mai 2024 genau 200 Jahre alt. Und das ist wahrlich ein Grund zu feiern. Denn es ist ein großes Glück, dass Museen heute öffentlich zugänglich sind. So können möglichst viele Besucher die Meisterwerke darin bestaunen.
Heute besuchen ca. zwei Millionen Menschen pro Jahr die National Gallery. Kein Wunder, denn mit etwa 2.300 Werken vom 13. bis 19. Jahrhundert gilt sie als eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt.
Endlich Kunst für alle
Das war nicht immer so. Denn zuvor waren die Werke großer Meister nur wenigen vorbehalten. Ausnahmen bildeten lediglich Kunstwerke in Kirchen oder Kathedralen.
Doch mit der Eröffnung der National Gallery im Jahr 1824 hatten endlich alle Menschen in Großbritannien Zutritt zu großer Kunst.
Zu Beginn bestand die Sammlung aus 38 Bildern aus dem persönlichen Besitz des Bankiers John Julius Angerstein, die die britische Regierung nach seinem Tod aufgekauft hatte. Dabei handelte es sich zumeist um figurative italienische Kunst aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Die Bilder wurden zunächst noch im Haus des Bankiers an der Pall Mall in London ausgestellt.
Die Sammlung wächst und bekommt ein eigenes Gebäude
Doch die Sammler Sir George Beaumont und William Holwell Carr verkauften der Regierung schon bald weitere Werke – allerdings unter der Bedingung, dass die Kunst ein passendes Gebäude bekäme. Seit 1838 befindet sich das Museum deshalb in dem eigens dafür errichteten Haus am Trafalgar Square.
Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Kunstwerke und auch weitere Gebäudeteile hinzu. Denn die unterschiedlichen Direktoren ließen ihre Vorlieben deutlich in die Sammlung einfließen. So erwarb der erste Direktor Charles Eastlake zum Beispiel Werke der sogenannten italienischen Primitiven aus dem 14. Und 15. Jahrhundert, während der dritte Direktor Frederic Burton einen Fokus auf Kunst aus dem 18. Jahrhundert legte.
Heute lassen sich in der National Gallery deshalb so bedeutende Bilder wie „Die Gesandten“ von Hans Holbein d.J. oder „Die Venus vor dem Spiegel“ von Diege Velàsquez bewundern.
Kunst im Bergwerk – Die National Gallery im Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg war ein besonders einschneidendes Ereignis für das Museum. Zum Schutz vor dem drohenden Krieg fasste der damalige Direktor Kenneth Clark schon 1938 den Plan, die Bilder zunächst auf verschiedene Lager im ganzen Land zu verteilen. Doch kurz vor Kriegsbeginn im Jahr 1939 beschlossen die Verantwortlichen den Großteil der Sammlung in einer Bergwerksmine nahe Manod in Nord-Wales unterzubringen.
Die National Gallery schloss ihre Tore schließlich am 23. August 1939, während bereits Container mit Gemälden auf dem Weg in Sicherheit waren.
Das war für die Kunst eine gute Entscheidung, denn das Gebäude wurde zwischen Oktober 1940 und April 1941 neunmal von Bomben getroffen.
Die berühmten Nachmittagskonzerte
Nach der Kriegserklärung herrschte in der gesamten Stadt ein kultureller Blackout und vielen wurde plötzlich klar, wie wichtig Kultur und Kunst für die Menschen sind.
Kenneth Clark wollte deshalb die Räume unbedingt weiterhin für kulturelle Zwecke nutzen – und nicht dem Kriegsministerium zur Verfügung stellen. Aus diesem Grund sagte er erfreut zu, als die berühmte Konzertpianistin Myra Hess in dem leeren Gebäude ein Konzert geben wollte.
Die Pianistin hatte sich eigentlich vorgenommen, während des Krieges ihren Flügel nicht mehr anzufassen. Bei einer Tea Party für Freunde wollte sie ihn ein letztes Mal spielen. Doch diese baten sie inständig, mit der Musik weiterzumachen.
So ergaben sich die berühmten Mittagskonzerte in der National Gallery, zu denen die Menschen in Scharen kamen – trotz drohender Gefahr. Denn die Kraft der Musik und das Zusammensein mit anderen war ihnen wichtiger. Die besten Musiker der Zeit, darunter Myra Hess selbst, traten regelmäßig auf. Das Ziel war es, klassische Musik für alle zugänglich zu machen. Der Eintritt kostete einen Shilling und es gab Kaffee, Tee und Sandwiches.
Das Bild des Monats und die Kraft der Kunst
Doch die Wände waren während dieser Zeit erschreckend leer. Deshalb gab es schon bald wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kriegskunst in den leeren Galerieräumen.
Diese waren durchaus gefährlich, denn es gab nahezu täglich Luftschutzwarnungen, was dem Besucherandrang jedoch keinen Abbruch tat.
Im Jahr 1942 hatten die Bombenangriffe so weit nachgelassen, dass ab dann jeden Monat ein Gemälde aus dem Bergwerk nach London geholt werden konnte, um es feierlich mit begleitendem Dokumentationsmaterial auszustellen.
Das war stets ein aufregendes Ereignis, das die Menschen kaum erwarten konnten. Das sogenannte „Picture of the Month“ ist bis heute ein fester Bestandteil des Programms der National Gallery.
Und die Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag im Mai 2024 zeigen mit einer Vielzahl an Ausstellungen und Veranstaltungen, welche verbindende Kraft Kunst, Kultur und Schönheit noch immer entfalten können.
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