Die Reise nach Orkney beginnt in Scrabster, einem kleinen Ort an der Nordküste Schottlands, unweit von Thurso. Von hier legt die Fähre ab. Die Überfahrt bis zum Hafen von Stromness dauert rund 90 Minuten. Bei gutem Wetter lässt sich unterwegs der Old Man of Hoy sehen, ein hoher, schlanker Felsen, der direkt aus dem Meer ragt. Je näher die Fähre der Küste kommt, desto mehr weitet sich der Blick auf grasbewachsene Hügel, steinerne Ufer und offene Landschaft.
Orkney besteht aus etwa 70 Inseln, rund 20 davon sind bewohnt. Die größte unter ihnen heißt Mainland.
Steinzeit unter freiem Himmel
Orkney gehört zu den geschichtsträchtigsten Regionen Europas. Besonders eindrucksvoll sind die Stätten des UNESCO-Welterbes Heart of Neolithic Orkney. Dazu zählen die gut erhaltenen Steinkreise Ring of Brodgar und Stones of Stenness, die Megalithanlage Maeshowe sowie die jungsteinzeitliche Siedlung Skara Brae. Letztere wurde 1850 durch einen Sturm freigelegt. Möbel, Feuerstellen und Werkzeuge sind heute noch zu erkennen. Während man einige der Anlagen nur im Rahmen einer geführten Tour besichtigen kann, lassen sich andere ganz nebenbei entdecken: Der Ring of Brodgar und Stones of Stenness lassen sich gut in einen Spaziergang integrieren, besonders schön ist es hier zwischen Hochsommer und frühem Herbst, wenn die Heide in verschiedenen lilafarbenen Schattierungen blüht.
Auch auf der Insel Rousay lassen sich Spuren früher Siedlungen entdecken. Dazu gehören das doppelstöckige Grab Taversoe Tuick und der gut erhaltene Rundturm Midhowe Broch aus der Eisenzeit.
Stromness: Fährhafen mit bewegter Vergangenheit
Die zweitgrößte Ortschaft Orkneys liegt lang gestreckt zwischen dem Wasser und einem Hügel im Westen von Mainland. Stromness war früher ein sicherer Ankerplatz für die Wikinger. Heute ist die Stadt ein Fährhafen, Standort für Tauchgänge rund um die Wracks in Scapa Flow und ein Zentrum für erneuerbare Energien auf den Inseln.
Die alte Uferbebauung mit Lagerhäusern erinnert an die wirtschaftlich geprägte Vergangenheit. Im Stromness Museum wird diese Geschichte ebenso erzählt wie die geologische Entwicklung Orkneys oder die Tierwelt der Inseln. Auch kulturell hat Orkney einiges zu bieten: Im April findet das Orkney Blues Festival statt, im Mai folgt das bekannte Orkney Folk Festival.
Kirkwall zwischen Kathedrale und Küste
Kirkwall ist die größte Stadt der Orkneys und liegt zentral auf Mainland, zwischen Ost- und Westküste. Sie zählt rund 7000 Einwohnerinnen und Einwohner und bietet Fährverbindungen zu den nördlichen Inseln sowie nach Aberdeen.
Besonders auffällig ist die St. Magnus Cathedral, ein aus rotem Sandstein erbautes Wahrzeichen der Stadt. Gleich daneben stehen der ehemalige Bischofspalast und das Kirkwall Museum. Es zeigt die Entwicklung des Ortes von der Wikingerzeit bis ins 20. Jahrhundert. Ein Spaziergang durch den Hafenbereich und die kleine Innenstadt lohnt sich. Man kann dort viele Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert sehen, es gibt inhabergeführte Geschäfte, Cafés und Restaurants. Unbedingt probieren sollte man den Cheddar der Orkney Cheese Company – er eignet sich auch hervorragend als Mitbringsel und ist im Delikatessengeschäft „The Brig Larder“ in der Innenstadt von Kirkwall erhältlich.
Zur Jahreswende geht es überraschend lebhaft im beschaulichen Kirkwall zu: Dann werden die traditionellen Ba’Games ausgetragen, ein jahrhundertealtes Ballspiel, das quer durch die Straßen führt und weit über die Orkney-Inseln hinaus bekannt ist.
Italian Chapel
Auf der kleinen Insel Lamb Holm steht eine Kapelle, die sofort ins Auge fällt. Zwischen alten Militärbauten und freiem Land wirkt sie fast zu fein und filigran für diesen Ort. Die Erklärung liefert eine Tafel im Inneren. Die Italian Chapel wurde während des Zweiten Weltkriegs von italienischen Kriegsgefangenen errichtet, die in einem Lager auf der Insel untergebracht waren. Aus einem schlichten Bau entstand eine römisch-katholische Kapelle mit gemalten Ornamenten, Rundfenstern und Tonnengewölbe. Die Gestaltung ist detailreich, obwohl nur einfache Materialien zur Verfügung standen.
Wer schon hier ist, sollte sich ein wenig mehr Zeit nehmen. Direkt nebenan befindet sich die J. Gow Rum Distillery. In den früheren Generatorräumen der alten Marinebasis wird hier seit einigen Jahren hochwertiger Rum hergestellt. Die Brennerei ist benannt nach dem Piraten John Gow, der im 18. Jahrhundert auf Orkney lebte. Verkostungen sind möglich, und im kleinen Shop findet man verschiedene Spirituosen, die sich gut als Mitbringsel eignen.
Kreatives Orkney
Auf Orkney leben viele Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker, die mit regionalen Materialien arbeiten und mit einem genauen Blick für ihre Umgebung gestalten. Der Creative Orkney Trail verbindet 25 Werkstätten auf sechs Inseln. Markierte Hinweisschilder zeigen an, wo sich die Studios befinden. Die meisten sind für Besucherinnen und Besucher geöffnet.
Das Angebot reicht von Keramik über Textilien, Gemälde und Holzarbeiten bis hin zu Schmuck und den traditionellen Orkney Chairs. Wer unterwegs in ein Atelier schaut, bekommt nicht nur einen Eindruck vom Handwerk selbst, sondern oft auch ein Gespräch dazu. Eine schöne Möglichkeit, die Inselbewohnerinnen und -bewohner – oder wie sie sich selbst nennen: die Orcadians – kennenzulernen.
Informationen und Übersichtsmappe zum Creative Orkney Trail: https://www.orkney.com/things/crafts/trail
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