Warmes Bier, kaltes Essen? Da ist wohl eine Beschwerde beim Kellner fällig. Aber wie denn nur? Dem Engländer an sich fällt es noch schwerer als dem Rest der Welt, miesen Service oder schlechte Qualität zu reklamieren. Was macht er also? Er (oder sie) sagt auf die Frage, ob es denn geschmeckt habe, „it was lovely, thank you“, zahlt, geht und kommt niemals wieder.
Leider hat dieses Verhalten zwei unerwünschte Effekte: Erstens merkt der Wirt/Koch/Kellner überhaupt nicht, dass etwas schief gelaufen ist und hat somit keine Chance, Abhilfe zu schaffen. Zweitens geht der Gast mit Wut im Bauch. Das ist ungesund. Andererseits gibt es natürlich auch in England Gäste, die lospoltern (vor allem nach dem einen oder anderen Gläschen). Der wohlerzogene Engländer jedoch findet das „very rude“.
Warum ist es so schwierig, eine berechtigte Beschwerde vorzubringen? Laut der Anthropologin Kate Fox – Autorin des sehr lustigen und wahren Buchs „Watching the English“ – erkennt in diesem Verhalten eine nationale Eigenschaft ihrer Landsleute: die Scheu, Aufmerksamkeit zu erregen und mit Fremden in engen und dann auch noch unangenehmen Kontakt zu treten. Beides ist für die zurückhaltenden Engländer eine Qual. Deshalb werden sie zwar mit den Augen rollen, mit den Fingern trommeln, untereinander wispernd schimpfen, später alle Freunde vor dem Lokal warnen – aber wenn die Kellnerin an den Tisch tritt, sagen sie eben „lovely, thank you“.
Wagt doch jemand eine Beschwerde, so muss diese in einen ganzen Wust von Entschuldigungen verpackt werden: „So sorry, I don't mean to be a bother, but my steak was a tiny little bit dry. Rather burnt, actually, sorry.“ Dass man sich ständig entschuldigt für etwas, dass jemand anderes getan hat, ist ebenfalls eine nationale Eigenart.
Wir Touristen tun gut daran, uns an diese Konvention zu halten. Denn ein knappes „das Steak war verbrannt“ geht, wie man so sagt, gar nicht. Fazit: Wir dürfen uns, sollte es nötig sein, beschweren, aber nicht ohne allerlei Höflichkeitsfloskeln. Der direkte Weg ist in England der falsche.
Leserbriefe (1)
Bernd Ewert
am 30.05.2016ich verbringe gerade meine dritte Woche bei englischen Freunden in Marbella, mitten in der herrlichen Berglandschaft. Aber das "sorry", das kann auch ganz schön nerven. Obwohl ich festgestellt habe, dass es eben auch nichts bedeutet oder nicht das, was es eigentlich bedeuten sollte. Ich bewerte mittlerweile das permanente "Sorry" Getue als eingefleischte Marotte und insulare Angewohnheit. Wobei ich es auch grauenhaft finde, das "lovely" zu benutzen, wenn es nicht "lovely" war. Zwischen direkter und indirekter Kritik, vorallen Dingen in Restaurants, gibt es auch noch andere Möglichkeiten Kritik anzubringen. But sorry, I don't care anymore, sorry. Sorry, to make you read this.