Wir fahren quer durch Cornwall auf die andere Seite nach Padstow, und dortselbst zu einem Herrenhaus namens Prideaux Place. Die Besitzer stammen von den Normannen ab, daher der französische Name. Prideaux Place ist ein bildschönes, mit Zinnen bewehrtes und von Efeu bemanteltes Gebäude aus der Tudorzeit, das in einer Vielzahl von Rosamunde-Pilcher-Filmen die Kulisse abgibt. Genaugenommen sind es 18, erfahren wir. Hausherr Peter Prideaux-Brune hat hier offenbar eine langlebige, auf Vertrauen basierende Geschäftsbeziehung mit deutschen Filmteams geschaffen und geistert gern bei Cameo-Auftritten durchs Bild, zum Beispiel – den eigenen Bentley polierend – als Chauffeur oder als Tourist. Die Familie wohnt tatsächlich hier und verbringt die Öffnungszeiten und die Drehtage wohl in den Hinterzimmern. Was sie an Gebühren und Eintrittsgeldern kassiert, investiert sie in den Erhalt ihres Hauses.
Da die Rosamunde-Pilcher-Filme zwar bei uns viele Fans haben, in England aber unbekannt sind, wird Prideaux Place vor allem von deutschen Tourist(inn)en in großer Zahl besucht. Deshalb sind auch Führungen auf Deutsch im Angebot. Wir dürfen sogar das Wohnzimmer derer von Prideaux-Brune betreten, das nebst kuscheligen Sofas vorm Kamin und Familienfotos auch Froschfiguren in vielen Größen enthält, eine Sammelleidenschaft der Hausherrin. Leider ist Fotografieren nicht erlaubt. Sehr elegant ist der gelbe Salon, und die Bücherei und das Speisezimmer sowie der große Saal mit reichem Deckenschmuck wirken wirklich wie, ja, wie aus einem romantischen Film! Einem Pilcherfilm zum Beispiel. Alles ist sehr gepflegt und gut erhalten. In der „library“ sitzt ein abgewetzter Teddy, der Peter Prideaux-Brune seit Kindertagen gehört und der, so erfahren wir, nachts lebendig wird und über eine kleine Leiter, die extra für diesen Zweck am Regal lehnt, herabsteigt.
Rosamunde Pilcher ist den Bewohnern von Prideaux Palace sowie den meisten Angestellten persönlich bekannt. Es wundert gar nicht, dass die Autorin einen Preis der britischen Fremdenverkehrsbehörde bekommen hat – sie holt, ohne dass dies ihr Ziel war, viele Fans und ZDF-Zuschauer nach Cornwall. Heute ist sie fast 94 Jahre alt und lebt im schottischen Dundee. Aber sie ist in Cornwall geboren, und zwar in einem Örtchen namens Lelant, an dem wir auch vorbeifahren. Prideaux Place hat übrigens auch eine Beziehung zu „Poldark“, dem britischen Serienhit. Der Autor der literarischen Vorlage, Winston Graham, war ein Freund des Hauses.
Nach der Führung durch Prideaux Place und einem Gang ums Haus, bei dem wir auch den erwähnten silbernen Bentley entdecken, wollen wir uns zum Cream Tea setzen. Der Tearoom wirkt nämlich sehr nett. Aber es wird nichts, wir müssen weiter, so ist das bei Gruppenreisen – wir dürfen um Himmels Willen nicht den Anschluss verlieren. Schade! Alle gemeinsam ziehen wir nach Padstow hinein, noch ein Bilderbuch-Hafenstädtchen, das an der Mündung des Flusses Camel liegt. Rick Stein, ein auf Fisch und Meeresfrüchte spezialisierter Koch, hat hier schon 1975 sein hoch gerühmtes Restaurant eröffnet. Inzwischen besitzt er ein ganzes Imperium und allein in Padstow – das manchmal augenzwinkernd Padstein genannt wird – mehrere Restaurants, Touristenunterkünfte, einen Fish-and-Chips-Laden und eine Kochschule. Leider reicht die Zeit nur für eine schnelle „cup of tea“, dann geht es zurück nach Torquay. Es gäbe noch so viel zu sehen, zum Beispiel der Promi-Küstenort Rock, der von Padstow per Fähre erreichbar ist, oder man könnte zu einer kleinen Radtour auf dem Camel Trail, einer ehemaligen Eisenbahnlinie, starten. Aber Entfernungen hier im Südwesten Englands sind doch weiter, als man beim Blick auf die Karte denkt, und Annette hat die Zeit im Blick. Letztlich ist eine Busreise so etwas wie eine Kreuzfahrt auf Rädern, bei der wir nur kleine Einblicke bekommen in das, was diese Gegend alles zu bieten hat. Wer mehr will, kommt wieder. Garantiert.
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Cream Tea mit Rosamunde – eine Reise in Englands Südwesten: Teil 1: Welcome to Torquay
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 2: Lauschiges Looe – und eine böse Möwe
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 4: mit Dampfzug und Fähre
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 5: Endlich: Cream Tea – aber wie?
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 6: Nebulöse Aussichten
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 7: Nicht das Ende der Welt, aber des Landes
Eine Reise in Englands Südwesten – Teil 8: St. Ives alias Porthkerris
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