Generationen von Briten sind von diesem Geräusch geweckt worden: das Surren des elektrischen Wagens, das helle Klirren von Flaschen, Fußschritte – der Milchmann ist da! Bis in die frühen 1980er ließen fast alle Haushalte im Königreich ihre Milch liefern, das „pint“ vor der Haustür gehörte morgens zum Straßenbild. Und dann starb der Service nach und nach aus, man kaufte die Milch im Supermarkt und schleppte sie selbst nach Hause. Das galt als Fortschritt.
Jetzt besinnen sich viele Menschen, gerade junge und umweltbewusste, auf die Vorteile der Glasflasche und ihrer Lieferung. Der „milkman“ erlebt ein Comeback! Zwar ist man noch weit entfernt von der flächendeckenden Versorgung früherer Zeiten, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Zunehmend mehr Molkereien oder Händler bieten diesen Service an. Dabei ist immer noch oder wieder das Elektrofahrzeug das Transportmittel der Wahl, auch aus Gründen des Lärmschutzes. Gerade dieses Jahr hat eine deutsche Firma, die Post-Tochter „Streetscooter“, 200 Elektromobile an das britische Unternehmen „Milk & More“ verkauft. Obwohl diese Fahrzeuge in Großbritannien natürlich links fahren, haben sie das Steuer auf der linken statt der rechten Seite: Der Milchmann (oder die Milchfrau) steigt aus Sicherheitsgründen immer an der Bürgersteigseite aus.
Milch liefern zu lassen war ja auch bei uns üblich, wenn auch nicht ganz so verbreitet wie in Großbritannien. Aber es hat wirklich viele Vorteile: Es ist umweltfreundlicher, vermeidet Plastikmüll, ist komfortabel, schafft Arbeitsplätze und hat zudem noch eine Art sozialer Kontrollfunktion: Wenn sich vor einer Haustür die Milchflaschen mehrerer Lieferungen drängeln, werden die Nachbarn aufmerksam und schauen hoffentlich mal nach, ob etwas passiert ist.
Übrigens wurden Bestellungen oder Änderungen früher per Zettel in der abends rausgestellten leeren Pfandflasche mitgeteilt. Heute bucht man eher online.
PS. Für Sprachinteressierte: Der Milchwagen heißt im britischen Englisch „milk float“. Ein „float“ ist einerseits ein Floß, andererseits ein Paradewagen der Sorte, die bei Umzügen durch die Straßen fährt, und drittens eben ein Milchauto.
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