Herz, Schmerz und Humor
60 Jahre sind ein stolzes Alter für eine Fernsehserie. „Coronation Street“, eine klassische britische Soap-Opera, ging am 9. Dezember 1960 auf Sendung. Die erste Folge, gedreht in einer sehr einfachen Kulisse mit hölzernen Hausfassaden und aufgemaltem Kopfsteinpflaster, fand beim Publikum Anklang, bei der Presse weniger: Der „Daily Mirror“ prognostizierte ihr eine Lebensdauer von gerade mal drei Wochen. Die Zuschauer entschieden anders. Die Serie läuft dreimal pro Woche mit je zwei Folgen bei guten Einschaltquoten.
Heute hat „Corrie“ viel Konkurrenz, aber damals war sie eine Sensation, denn sie spielte weder bei Familie Vornehm noch an besonders ansehnlichen Orten, sondern im Arbeitermilieu und in einer Straße, wie es sie in den Industriestädten Englands tausendfach gab (und gibt): Reihenhäuser mit von Ruß nachgedunkelten Backsteinfassaden und ohne Vorgärten, aber mit Hinterhof, den typischen Fenstern zum Schieben und lackierten Holztüren, dem Pub an der Ecke und dem Zeitungsladen gegenüber. Zum allerersten Mal hörte man hier Dialekt in einer Unterhaltungssendung: Die Bewohner sprachen so, wie den Leuten um Manchester der Schnabel gewachsen ist. Ort der Handlung ist die fiktive Stadt Weatherfield, die sich an Salford – inzwischen fast ganz mit Manchester zusammengewachsen – orientiert. Und dort wird auch gedreht.
Wie das so ist bei Serien: Die Menschen erleben im Durchschnitt mehr und Schlimmeres als der Rest von uns – Mord, Gasexplosion, Entführung, Großbrand und das Auftauchen bis dato unbekannter Familienmitglieder bereichern die Handlung. Dabei wurden und werden – anfangs sehr zögerlich, dann zunehmend – auch aktuelle gesellschaftliche Themen und Umbrüche aufgegriffen von Arbeitslosigkeit über Gleichberechtigung bis Rassismus. Was früher kaum erwähnt werden durfte, zum Beispiel das Zusammenleben schwuler Paare, ist heute Normalität. Auch Corona, so hat der Sender ITV angekündigt, spiegelt sich demnächst in der Handlung (und das offizielle Jubiläumsfoto besteht aus lauter Einzelaufnahmen der Mitwirkenden, die dann zum Gruppenbild zusammengefügt wurden). Die Pandemie hat die Dreharbeiten nur kurz gestoppt, sodass die Fans nicht auf Folgen verzichten mussten. Sie lieben besonders die Vertrautheit der Charaktere und das Heimatgefühl, das die Serie vermittelt – und den teils schrägen Humor.
„Coronation Street“ war das Vorbild für die deutsche „Lindenstraße“, die es ja immerhin auf 35 Jahre brachte.
Hier gibt´s einen kleinen Einblick in die berühmte Straße und ihre Geschichte: www.itv.com/coronationstreet
Außerhalb von Coronazeiten werden auch Führungen durch die Kulisse angeboten.
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