90 Zahlen und der pure Zufall – das sind die Zutaten des Bingospiels, das in Großbritannien eine lange Tradition hat. Früher gab es in allen Städten, vor allem den Seebädern, „Bingo Halls“. Auch für gute Zwecke wurden gern Bingoabende veranstaltet, sei es vom Schul-Förderverein oder der örtlichen Kirchengemeinde – meist eher mit Sach- als mit Geldpreisen; wer mitspielen wollte, zahlte einen kleinen Beitrag. Inzwischen ist dieses Spiel, dem Prinzip nach eine Art Lotto, weitgehend ins Internet abgewandert – aber nach wie vor existieren mehrere hundert Bingoclubs, die sich zu einer Dachorganisation zusammengeschlossen haben. Das Spiel wird heute nur noch von rund fünf Prozent der Bevölkerung gespielt, aber es hat über Jahrzehnte die kulturelle Identität vor allem Englands mitgeprägt und sich dabei häufig in einer Grauzone des Legalen bewegt. Denn für Glücksspiele galt und gilt ein komplexes Regelwerk.
Lotterien gibt es schon sehr lange, im 17. Jahrhundert durften sie beispielsweise vom englischen Adel veranstaltet werden – eine willkommene Geldquelle, denn die Engländer waren schon damals wild aufs Wetten. Der Ursprung des Spiels soll aber in Italien liegen. Bingo als solches taucht erstmals im Ersten Weltkrieg auf, wo es von britischen Soldaten in den Schützengräben und Unterständen gespielt wurde. Es hieß damals „House“ oder „Housey-Housey“, weil die Zahlenfelder auf den Spielkarten an Häuschen erinnern. Die Kugeln mit den Zahlen wurden einfach – hoffentlich ohne Hingucken – aus Beuteln gezogen.
Die Hoch-Zeit des Spiels liegt in den 1960ern. Nach einer Gesetzesänderung durfte das Spiel auch kommerziell angeboten werden, und überall schossen die Bingo Halls aus dem Boden. Das Publikum war häufiger als bei anderen Wettspielen weiblich: Frauen trafen sich zum geselligen Beisammensein, tranken beim Spielen Tee, starrten auf ihre Karten mit den 27 Feldern und hofften auf den großen Preis, der über das Jahrzehnt je nach Anbieter immer größer wurde, von der Reise über den Pelzmantel bis zu mehreren tausend Pfund. Nebenher gab und gibt es aber immer das nichtkommerzielle Spiel in kleinerem Kreis, wo es hauptsächlich um den Spaß geht und weniger um den Gewinn. Zum Niedergang des kommerziellen Bingos trug neben dem Internet wohl auch das Rauchverbot bei, denn früher wurde beim Spielen gequalmt, was das Zeug hielt (genauso wie im Kino und im Pub).
Woher der Name Bingo stammt – der ja auch bei uns zu einem Synomym für „Das ist es! Ich hab´s!“ geworden ist – lässt sich nicht genau klären. Manche Freizeitforscher verorten seine Entstehung in den USA, andere meinen sogar, ein Mr. Bingham sei der Pate. Vielleicht eignet sich die Lautfolge mit dem I und dem O am Schluss einfach besonders gut dazu, in einem vollen Saal gehört zu werden. In Großbritannien hat sich darüberhinaus eine Art Bingo-Sprache entwickelt, die mit Bildern und Reimen arbeitet: Der „Caller“ vorn sagt nicht einfach „twenty-two“, sondern „two little ducks“ (weil die Zwei so aussieht wie eine Ente) oder „thirty-three“, sondern „dirty knee“. Eine eigene Welt!
Eine sehr ausführliche Geschichte des Spiels gibt es hier (auf Englisch) zum Nachlesen: https://playingbingo.co.uk/retail-bingo/bingo-history/a-history-of-bingo-in-the-uk/
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