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„Re-enactments“ bringen die Vergangenheit zurück

Lebendige Geschichte: „Re-enactments“ bringen die Vergangenheit zurück

Re-enactor beim Tewkesbury Medieval Festival 2015

Lebendige Geschichte

Römer, Wikinger und Ritter, Barbiere, Alchemisten und Dorfschmiede, Königinnen, Kräuterweiblein und Milchmädchen: Sie alle leben weiter in den „re-enactments“, den in Großbritannien heiß geliebten Inszenierungen der Vergangenheit. Ab diesem Sommer durften die Darstellerinnen und Darsteller nach der Corona-Zwangspause wieder loslegen. Sie sind in mehr als 140 Vereinen („societies“) organisiert oder auch nur in losen Gruppen, sie reisen durchs Land und machen das, was vor unserer Zeit geschah, wieder lebendig und begreifbar.

Dass Geschichte nicht nur aus Zahlen besteht und auch nicht tot ist, sondern in uns weiterlebt, wissen wir in der Theorie alle. Trotzdem kann sie langweilig und trocken vermittelt werden. Genau den gegenteiligen Weg gehen die Enthusiasten, die viel Zeit und Liebe in ihr Hobby und ihre Mission investieren. Details sind ihnen ganz, ganz wichtig: Der Reifrock darf keinen Reißverschluss haben und schon gar nicht aus Polyester sein, die „Redcoats“ der Soldaten müssen den richtigen Farbton treffen, Frisuren, Schuhwerk, Abzeichen, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte und auch die Sprache sollen so authentisch sein wie möglich. Wobei Letzteres Grenzen hat, denn die Angelsachsen und Wikinger würde heute niemand mehr verstehen, und auch mittelalterliches Englisch klingt sehr fremd.

„Re-enactments“ werden in ganz Großbritannien angeboten (und gewinnen auch bei uns immer mehr an Popularität). Organisationen wie English Heritage und National Trust, aber auch die Besitzer privater Herrenhäuser engagieren Gruppen, um bestimmte Epochen ihrer Geschichte anschaulich zu präsentieren. Auch bei Jubiläumsfesten, „village fetes“, auf Märkten oder zu anderen Anlässen sind sie ein gern gesehener Programmpunkt, der – in normalen Zeiten – viele Menschen anzieht.

Dabei können prominente Figuren wie Elizabeth I. ebenso auftauchen wie eine Familie aus der Jungsteinzeit, ganze Dorfgesellschaften aus dem Mittelalter, blau bemalte Krieger und ihre Gegner, die Legionäre mit dem Federbusch auf dem Helm. Zeitreisen in die beiden Weltkriege werden ebenfalls reichlich angeboten. Eine eigene Kategorie bilden die Nachstellungen historischer Schlachten, teilweise sehr exakt nach Vorlage. Seriöse Vereine neigen heute übrigens nicht mehr zur Glorifizierung geschichtlicher Ereignisse, die man durchaus kritisch sehen kann. Es geht eher um eine Darstellung als eine Bewertung.

Besonders beliebt sind Ritterturniere, sogenannte „jousts“, bei denen es heftig zur Sache gehen kann. Denn wie alle, die jemals ein Rollenspiel in einem Seminar mitgemacht haben, wissen: Man findet sehr schnell in die Figur, die man eigentlich nur darstellt, und fühlt und verhält sich entsprechend – auch mit einer Lanze in der Hand und hoch zu Ross.

Ein Verdienst der Bewegung, wenn man sie so nennen darf, ist dies: Die „re-enactors“ haben das Schicksal von Menschen, die keine Könige, Fürstinnen und Generäle waren, sichtbarer gemacht. Die Dienerschaft, die Bauern, die Krankenschwestern in den Lazaretten haben früher niemanden interessiert. Das hat sich geändert und ist eine echte Bereicherung.

Hier gibt´s einen kleinen Überblick über die Vielfalt an Gruppen: www.historic-uk.com/LivingHistory/ReenactorsDirectory

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Leserbriefe (1)

  • Hans Peter Kraft
    am 12.10.2021
    Eine kleine Anekdote aus den frühen Tagen des re-enactmens. 1984 nahmen wir – eine kleine Gruppe geschichtsinteressierter, schwarzpulver- und schottische Musik liebender deutscher Reenactors – an unserem ersten event im UK teil. Durch in Frankfurt stationierte Amerikaner mit dem Living History Virus infiziert , gründeten riefen wir eine Einheit schott.Hochländer der napoleonischen Epoche. Kontakte zu einem alten englischen Reenactor verschafften uns eine Einladung der Napoleonic Association zu einer Veranstaltung der English Heritage in Leeds Castle, Kent.
    Zunächst noch halb amüsiert, halb erstaunt nahmen uns die englischen Redcoats in Augenschein. Deutsche die schottische Hochländer spielten ! Doch das Eis war schnell gebrochen, Qualität unserer Monturen und Ausrüstung sowie der sichere Umgang mit den Musketen sorgten für schnelle Anerkennung. Zugegeben am nächsten Morgen sanken die Sympathiewerte ein wenig, denn als Duty Piper blies ich am nächsten Morgen in aller Frühe die Reveille mit dem Dudelsack.
    Später am Tag marschierten wir zum „ Gefecht „ ich hatte die Ehre die englischen Rotröcke anzuführen , pipes playing, selbstverständlich .
    Am öffentlichen Sammelplatz sprach mich ein älterer Gentleman an. Und, ja, es gibt oder gab sie tatsächlich, diese typischen englischen Ex-Offiziere, ; schlank, kerzengerade Haltung, Tweed und Regimentskrawatte. Ich beantwortete seine Fragen und Kommentare lediglich mit „ Aye „ und „ right, Sir „, spielte ihm auf Wunsch halbwegs fehlerfrei seinen ehem.Reg,marsch „ 79th Farewell „ , Er war recht angetan, fragte dann von welchem Teil Schottlands ich komme. Meine Antwort in imitiertem schottischen Akzent „ Frae Gerrmany ! „ liess ihn erstarren. Nach kurzem Schweigen dann im besten uppperclass English „ Oh, I see … „ wandte er sich zum gehen. Offensichtlich hatte ich sein Weltbild erschüttert, Der Untergang des Empire war nicht mehr zu leugnen. Abends im Pub wurde das dann zum running gag bei den englischen Kameraden „ Where do you come from - Frae Gerrrmany !! „

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