Ein Internat mit Tradition
Harrow School ist genau so, wie wir uns (nicht erst seit Harry Potter) ein traditionelles englisches Internat vorstellen:
- altehrwürdige Gebäude, dunkles Holz und Buntglasfenster,
- Schüler in Uniform mit Strohhut oder – sonntags – im Frack,
- Lehrerinnen und Lehrer in schwarzen Talaren,
- zwölf „Häuser“, auf die sich die Schüler verteilen und die miteinander im Wettbewerb stehen,
- morgens „assembly“ in der prächtigen Versammlungshalle,
- auch samstags Unterricht,
- gemeinsame Mahlzeiten,
- ganz viel Sport, aber auch Kunst und Kultur auf dem Lehrplan.
450 Jahre besteht diese neben Eton wohl berühmteste Jungenschule Englands nun. Sie liegt in Harrow on the Hill nordwestlich von London und wird derzeit von rund 800 Schülern besucht. Viele Politiker und sieben Premierminister, darunter Winston Churchill, sind aus ihr hervorgegangen; außerdem drei Nobelpreisträger, darunter ebenfalls Winston Churchill, der wohl als Universalgenie gelten kann. Aber auch Lord Byron, James Blunt und Benedict Cumberbatch sind „Harrovians“.
Als echte Public School – ein Begriff, der verwirrenderweise für Privatschulen steht – finanziert sie sich aus dem Schulgeld der überwiegend wohlhabenden Elternschaft. Allerdings sind mehr als zehn Prozent der Schüler Stipendiaten, sodass auch weniger reiche Kinder eine Chance haben, Harrovians zu werden. Das Einschulungsalter liegt bei mindestens 13, sodass nicht schon die ganz Kleinen, wie früher in den besseren Kreisen Englands üblich, vom Elternhaus getrennt werden. Jedoch werden die alten Mauern über die Jahrhunderte doch Zeugen von viel Heimweh und Tränen geworden sein … es kann ganz schön hart sein, aus dem Kinderzimmer in ein Internat katapultiert zu werden und sich sozusagen rund um die Uhr unter Gleichaltrigen und Älteren behaupten zu müssen.
Harrow legt aber Wert auf eine Anti-Mobbing-Strategie – anders, als es der arme Prince Charles seinerzeit in Gordonstoun erlebte. Damit die Jungen außerdem nicht völlig getrennt von Mädchen aufwachsen, gibt es gemeinsame Aktivitäten mit Mädchenschulen; ein Fünftel der Lehrerschaft ist weiblich. Auf die Frage, ob denn die Trennung in Jungen und Mädchen heute noch zeitgemäß sei, hat die Schule ein interessantes Argument parat: Während an gemischten Schulen oft nur eine kleine Minderheit von Jungen einen sprachlichen Schwerpunkt wählt, ist das in Harrow anders. Und: Die Jungen machen hier auch viel lieber bei Theater- und Musikproduktionen mit als anderswo üblich.
Um die Stipendien zu finanzieren, werden Räume für Filmproduktionen vermietet. In der Versammlungshalle entstand zum Beispiel eine Szene von „The Crown“, die laut Drehbuch in Eton spielte. Und der älteste Klassenraum auf dem Gelände taucht auch – kein Wunder – in „Harry Potter und der Stein der Weisen“ auf.
Einen interessanten Einblick in die 450-jährige Geschichte der Harrow School bietet dieser Film: www.harrowschool.org.uk/support/harrow-450
Leserbriefe (1)
Ute Scholl Dupre
am 08.02.2022