Ein Herz und eine Krone
Er war nur 326 Tage König – nicht mal ein ganzes Jahr – und dankte noch vor seiner Krönung ab: Edward VIII., vorher Prince of Wales und nachher Duke of Windsor, ist eine der umstrittensten Figuren in der Geschichte der Royals. Heute vor 50 Jahren ist er in Paris gestorben. Bis zuletzt war er mit Wallis Simpson verheiratet, seiner großen Liebe. Sie überlebte ihn um 14 Jahre.
Für seine Familie und im Freundeskreis war und blieb er immer David, als König wählte er den Namen Edward (er hatte sieben Vornamen zur Auswahl und hätte sich auch König George, König Albert, König Patrick, König Christian oder König Andrew nennen können). Als Thronfolger und dann als Nachfolger seines verstorbenen Vaters George V. war David bei der Bevölkerung des Königreichs beliebt, weil er gut aussah und einen Lebensstil pflegte, der eher zu einem Filmstar gepasst hätte. Protokoll und Traditionen waren ihm ein Graus. Außer für Partys, schicke Autos und schöne Frauen interessierte er sich aber auch für soziale Themen wie die damals weit verbreitete Armut der Arbeiter und ihrer Familien.
Der Grund für Edwards Rücktritt – ohne Beispiel in der Geschichte des Königshauses und ein Riesenskandal – war seine Liebesbeziehung zu Mrs. Simpson. Die Amerikanerin war geschieden; zum Zeitpunkt der Heirat sogar schon zum zweiten Mal. Und da David genau wie die heutige Queen der anglikanischen Kirche vorstand, die Scheidungen kategorisch ablehnte, war es für ihn nicht möglich, seine Freundin zu heiraten. Heute wäre das kein Thema mehr, siehe Charles und Camilla, die beide geschieden sind und trotzdem heiraten durften, aber es waren andere Zeiten.
Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs hatte Großbritannien eigentlich andere Sorgen, aber die Geschichte von Liebe, Macht und Verzicht schlug natürlich die Menschen in ihren Bann. Solange der König noch mit sich rang (oder auch nicht, wer weiß das schon?), hielten die britischen Medien still. Aber dann brach ein Sturm los. Viele Menschen hatten Verständnis für das Paar, das an überholten Regeln zu scheitern drohte, andere betrachteten die Abdankung als Verrat an der Nation und ihrer Bevölkerung.
Nachfolger Edwards wurde unfreiwillig sein Bruder Albert, der sich dann George VI. nannte, Vater der heutigen Königin. Er war nicht der Typ für einen Platz in der ersten Reihe, schlug sich aber wacker, wuchs ab 1939 im Zweiten Weltkrieg über sich selbst hinaus und weigerte sich zum Beispiel, trotz Bombardierungen London zu verlassen. Mit seiner Frau Elizabeth an seiner Seite und den beiden Prinzessinnen Elizabeth und Margaret war die königliche Familie ein Vorbild in dunklen Tagen.
Der Duke und die Duchess of Windsor verbrachten den Großteil ihres Lebens in Frankreich. Der Ex-König hätte gern eine diplomatische oder andere Aufgabe übernommen, aber die königliche Familie verzieh ihm erstens die Abdankung und zweitens seine Bewunderung für die nationalsozialistische Regierung Deutschlands nie so recht. Die Pressefotos, die das Paar vor dem Krieg mit Hitler und anderen Nazigrößen zeigen, blieben immer unvergessen.
Die heutige Queen, deren Lieblingsonkel David gewesen sein soll, legt bekanntlich großen Wert auf Disziplin und Pflichterfüllung. Dies ist – Vorsicht, Küchenpsychologie! – möglicherweise eine Reaktion auf die Kapriolen ihres Vorvorgängers: Nie wieder sollte die Monarchie in Gefahr geraten, weil das Oberhaupt privates Glück wichtiger nahm als die Aufgabe.
Edward VIII. ist gemeinsam mit seiner Wallis auf dem Royal Burial Ground Frogmore begraben – dem königlichen Friedhof nicht weit von Windsor Castle. Immerhin.
Eine ganz neue Version der Geschichte erzählt der Roman „Wallis & Edward. Eine Liebe, stärker als die Krone“ von Wendy Holden. Die Autorin, aus deren Feder auch „Teatime mit Lillibet“ stammt, hat viel recherchiert, aber auch frei interpretiert. Momentan arbeitet sie übrigens an einem Roman über Prinzessin Diana.
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