Vom Lastkahn zum Freizeitboot
Sie sind lang und elegant, schmal und bunt bemalt: Typisch britische „narrowboats“ gleiten landauf, landab durch das große Kanalnetz. Die meisten sind Ferienboote, manche in Privatbesitz, manche gemietet, einige liegen auch fest vor Anker oder sind zu kleinen Hotels umfunktioniert worden. Ob einfach ausgestattet oder Luxusklasse mit Whirlpool an Deck: Die „Schmalboote“ haben viele Fans. Ihre Geschichte beginnt in der Industriellen Revolution, denn sie wurden als Lastkähne entwickelt.
In der Zeit vor der Eisenbahn, vom Lastwagen ganz zu schweigen, gab es nur zwei Transportmethoden für Waren und Rohstoffe aller Art: über Land in Karren oder eben übers Wasser. Da Großbritannien zwar viele Flüsse hat, aber nicht genug, um jeden Winkel zu erreichen, begann man ab 1700 mit dem Bau von Kanälen. Anfangs variierte die Breite sowohl der Wasserwege als auch der eingesetzten Boote stark, aber das änderte sich, als ein Ingenieur namens James Brindley eine Standardgröße für Schleusen vorschlug. Nur Boote, die nicht breiter als 220 Zentimeter waren, passten hinein. Dafür waren sie aber umso länger.
Die meist hölzernen „narrowboats“ hatten keinen eigenen Antrieb, sondern wurden von Pferden gezogen – noch heute sieht man die Treidelpfade, zu Englisch „towpaths“, auf denen die Arbeitstiere laufen mussten. Inzwischen wird dort eher gewandert oder geradelt. Oft waren ganze Familien auf den Kanälen unterwegs, aber nicht zum Freizeitvergnügen, sondern als Arbeitskräfte, auch die Kinder. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Boote mit Dampfmaschinen, später mit Gas- oder Dieselmotoren betrieben. Inzwischen hatte der Konkurrent Großbritannien erobert: die Dampflok zog schnaufend Waggons mit Rohstoffen, Waren und natürlich Passagieren über Land.
Im Ersten und auch Zweiten Weltkrieg spielten die „narrowboats“ noch eine Rolle, um die Bevölkerung zu versorgen, danach war ihre Zeit vorbei. Das Kanalnetz wurde nicht mehr gepflegt und verfiel. 1963/64 war ein harter Winter, die verbliebenen Boote froren über Wochen fest und wurden teilweise einfach von ihren Besitzern aufgegeben und liegengelassen, wo sie gerade waren. Eine Renaissance erlebten die schmalen Boote dann allmählich ab den 1970ern, als der Freizeitwert des Kanalnetzes erkannt wurde. Engagierte Vereine arbeiteten an der Wiederherstellung mit oder sammelten Geld. Einige der Boote, die heute auf den Wasserwegen unterwegs sind, haben viele Jahre auf dem Buckel und sind mit Liebe restauriert worden, die meisten aber sind mehr oder weniger neu und gezielt als Freizeitgefährt gebaut.
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