schön bunt, schön laut, ganz cool
Der Eiswagen kommt! Für Kinder klingt der blecherne Sound, mit dem er sich nähert, schöner als jedes Weltklasse-Konzert. Und wenn er dann endlich um die Ecke biegt und auch noch Geld zur Hand ist, dann ist das ein Highlight des Tages.
Es gibt sie auch bei uns und in vielen Ländern, aber in Großbritannien haben die „ice cream vans“ geradezu Kultstatus und verbreiten schon seit den 1950ern Sommerfeeling. Die ersten Exemplare schickte ein aus Italien stammender Brite auf die Straße. Sie gehören zur Saison wie der Besuch auf dem Rummel an der Seepromenade, und das trotz eher unbeständigen Wetters.
Ohne ein „99“ ist es kein Sommer
Das Äußere der Wagen ist meist nostalgisch und noch immer häufig von Hand bemalt. Zum Standardangebot im Königreich gehört das „99“ – eine Eiswaffel mit Vanilleeis, meist in der Softeis-Variante – und einem „Flake“-Schokoriegel von Cadbury. Ein Sommer ohne „99“ ist keiner! Viele Vans bieten zusätzlich festes Speiseeis und Eis am Stiel an. Tragen sie die Aufschrift „Mr. Whippy“ oder ähnlich, dann bedeutet das: Hier gibt es Softeis der Firma Walls (die urenglisch ist, aber heute – wie auch Langnese – zu Unilever gehört).
Vom Pferdekarren zum quietschbunten Eiswagen
Die allerersten Eiswagen in Großbritannien wurden von Pferden gezogen. Damals läutete der Fahrer ein Glöckchen, um die Kundschaft anzulocken. Heute sind die „jingles“ oder auch „chimes“, also die Erkennungsmelodien, digital erstellt – trotz großer Auswahl tut der Eisverkäufer oder die -verkäuferin gut daran, bei ein und demselben Song zu bleiben. Das hält die Stammkundschaft bei der Stange. Beliebte Melodien sind „O sole mio“, „Greensleeves“, „Waltzing Matilda“ und kurioserweise die Titelmelodie der Fußballsendung „Match of the Day“.
Nicht alle freuen sich über den Sound
Nicht alle Menschen sind begeistert von dieser Geräuschkulisse, zumal sie sich in Gebieten mit Touristen-Attraktionen und entsprechend vielen Eishändlern ziemlich verdichten kann. Deshalb gibt es Regeln, nach denen die Lautstärke 80 Dezibel nicht überschreiten darf und die Melodie nur zwölf Sekunden am Stück erklingen soll (vor Jahren waren es sogar nur vier Sekunden; wer das kontrolliert, ist eine andere Frage). Konkurrierende Eiswagen in Hörweite voneinander dürfen nicht gleichzeitig losscheppern, und vor Krankenhäusern sollen sie ganz stumm bleiben. In Greenwich war diesen Sommer in der Diskussion, 33 bisherige Haltepunkte in der Nähe der Unesco-Weltkulturerbestätten komplett zu streichen. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch aus.
Ein dunkles Kapitel der Eiswagengeschichte sind die „Glasgow Ice Cream Wars“ aus den frühen 1980ern: Die Fahrzeuge wurden als Tarnung für krumme Geschäfte genutzt und handelten eben nicht nur mit Eis, sondern auch mit Drogen und Hehlerwaren. Selbstverständlich gerieten sich darüber rivalisierende Verbrecherbanden in die Haare, und es gab sogar Todesopfer zu beklagen.
Da bleiben wir doch lieber beim eigentlichen Zweck der quietschbunten „ice cream vans“, stellen uns brav in die Schlange und bestellen „a 99, please!“
Leserbriefe (3)
Uta Roth-Oexner
am 25.07.2023Brigitte Paulitsch
am 28.07.2023Maike Kohlhöfer
am 28.07.2023