Dame Antonia Susan Byatt, Autorin zahlreicher Bücher und eine der bedeutendsten englischen Gegenwartsautorinnen, die auch ins Deutsche übersetzt wurde, ist am 16. November 2023 im Alter von 87 Jahren gestorben. In diesem Blogbeitrag schauen wir auf ihr langes, produktives literarisches Wirken zurück.
Kindheit und Jugend
Geboren wurde sie in Sheffield als Antonia Susan Drabble. Die Liebe zum Schreiben war ihr quasi schon in die Wiege gelegt, denn sie war das älteste Kind von Kathleen Bloor, einer Schülerin des englischen Poeten Robert Browning, und John Drabble, der zunächst Anwalt und dann Richter war. Auch ihre Schwester Margaret wurde Schriftstellerin, während ihre Schwester Helen Historikerin und ihr Bruder Richard, wie der Vater, Anwalt wurde.
Byatt empfand ihre Kindheit nicht als glücklich, da sie sich gegen ihre dominante Mutter durchsetzen musste. Zudem kam sie in zwei Internate, wo sie sich nicht wohlfühlte, denn sie hatte Schwierigkeiten, Freunde zu finden und die Möglichkeit zum Rückzug, die sie gebraucht hätte, wurde ihr nicht gewährt.
Arbeitsleben und Familie
Sie besuchte das Newnham College in Cambridge, das Bryn Mawr College in den Vereinigten Staaten und das Somerville College in Oxford. Von 1962 bis 1971 unterrichtete sie am „Department of Extra-Mural Studies“ der University of London, anschließend an der Central School of Art and Design und von 1972 bis 1983 am University College London.
Auch privat war ihr Leben bewegt: 1959 heiratete sie Ian Charles Rayner Byatt und bekam eine Tochter sowie einen Sohn, der im Alter von 11 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. 1969 wurde die Ehe geschieden. Mit ihrem zweiten Ehemann Peter John Duffy bekam sie zwei weitere Töchter.
Das Verhältnis zwischen Byatt und ihrer Schwester Margaret Drabble war aufgrund der autobiografischen Elemente in ihren Büchern häufiger angespannt. Obwohl ihre Beziehung nicht mehr besonders eng war, und sie die Bücher der jeweils anderen auch nicht lasen, beschrieb Drabble die Situation als „normale Geschwisterrivalität“, während Byatt sagte, dass es „von Klatschkolumnisten schrecklich überbewertet“ wurde und die Schwestern „sich im Grunde immer gemocht haben“.
Ihr literarisches Schaffen
So schwierig ihre familiären Beziehungen waren, so erfolgreich waren und sind ihre Bücher. Ihr erstes Buch „The Shadow of the Sun“ erschien 1964. Danach folgten im Jahr 1967 „The Game“ und 1978 „The Virgin in the Garden“. Letzteres war der erste Teil ihres Romanquartetts, das sie mit „Still Life“ im Jahr 1985, „Babel Tower“ von 1996 und „A Whistling Woman“ von 2002 fortgesetzt hat. Im Jahr 1983 entschied sie sich, ihr Leben vollkommen dem Schreiben zu widmen. Dies führte 1990 zu ihrem größten Erfolg, dem Roman „Possession“ (dt. „Besessen“), für den sie den Booker Prize und von Königin Elisabeth II. den Titel „Commander of the Order of the British Empire“ erhielt. 2002 wurde der Roman verfilmt. Neben den Romanen veröffentlichte sie Novellen, Kurzgeschichten, aber auch Sachbücher, Literaturkritiken für die „Sunday Times“ sowie die BBC und war Jurymitglied bei vielen Literaturpreisen wie dem „Hawthornden Prize“, dem „Booker Prize“, dem „David Higham Prize for Fiction“ und dem „Betty Trask Award“.
In ihren Büchern spielte Antonia S. Byatt gerne auf Themen der romantischen und viktorianischen Literatur an und baute darauf auf. Für sie war Fantasie eine Alternative zum Alltag und nicht eine Flucht vor ihm. Das macht es oft schwer zu erkennen, wann das Fantastische in ihrem Werk „real“ ist oder den Ausbruch einer Psychose darstellt. In der Art, wie sie Realismus und Naturalismus mit Fantasie in ihren Werken verband, wurde sie von Henry James und George Eliot ebenso beeinflusst wie von Emily Dickinson, T. S. Eliot und Robert Browning.
Ihre pessimistische Grundhaltung findet sich in ihren Werken: „Ich glaube nicht, dass der Mensch im Grunde gut ist, deshalb denke ich, dass alle utopischen Bewegungen zum Scheitern verurteilt sind, aber ich interessiere mich für sie.“
Über die Rolle des Schreibens in ihrem Leben sagte sie: „Ich betrachte das Schreiben einfach als Vergnügen. Es ist das Wichtigste in meinem Leben, Dinge zu schaffen. So sehr ich meinen Mann und meine Kinder auch liebe, ich liebe sie nur, weil ich die Person bin, die diese Dinge herstellt. Ich, der ich bin, bin die Person, die als Projekt diese Dinge macht, oder auch wenn das etwas hochtrabend klingt, sie konstruiert. Ich sehe das in einer Art dreidimensionaler Struktur. Und weil diese Person das die ganze Zeit tut, ist sie in der Lage, all diese Menschen zu lieben.“
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