Diese Namen kennt jeder: The Beatles, Jimi Hendrix, The Who, Black Sabbath, AC/DC, Led Zeppelin, Deep Purple, Jethro Tull, Queen, Van Halen, U2, Red Hot Chili Peppers. Und sie teilen sich eine Gemeinsamkeit: Gitarrenverstärker „made in England“. AC/DC benannten sich sogar nach einer besonders gefährlichen Verstärker-Gattung der 1950er-Jahre.
Anfänge unter Zwang: der Umstieg auf britische Marken
Am Anfang wurde aus der Not eine Tugend: Aufgrund hoher Einfuhrzölle und schlechter Verfügbarkeit waren die beliebten amerikanischen Gitarrenverstärker von Fender und Gibson für die meisten Musiker Großbritanniens unerreichbar. Daher begnügte man sich mit den leistungsschwächeren und einfacher aufgebauten Alternativen von Selmer und Watkins aus heimischer Produktion, es waren auch die ersten Verstärker der Beatles und der Rolling Stones.
Der Durchbruch mit VOX: die Geburt des British Sound
Doch dann kam es zu einem „Urknall“ als die Firma JMI 1960 zuerst den VOX AC15 (mit einem 12-Zoll-Lautsprecher der englischen Firma Celestion und 18 Watt Ausgangsleistung) und kurz darauf den VOX AC30 (mit zwei Celestion-Lautsprechern und 30 Watt) veröffentlichte, die sowohl klanglich als auch von der Lautstärke her mit ihren amerikanischen Vorbildern mühelos mithalten konnten. Und im Gegensatz zu den oft noch kursierenden „AC/DC“-Verstärkern, die sowohl mit Wechsel- als auch mit Gleichstrom betrieben werden konnten – was bei einer Fehlbedienung tödliche Folgen hatte – waren die VOX-Amps, wie schon aus der Modellbezeichnung zu erkennen, reine „AC“ (Wechselstrom)-Verstärker und damit auch für technisch unbedarfte Gitarristen ungefährlich.
Und VOX änderte auch die Spielregeln des Marketings: Während die Konkurrenz in ihrer Werbung über Röhrentypen fachsimpelte, stellte VOX ihre neuen Amps einfach der gerade angesagtesten Band in England zur Verfügung: The Shadows. Diese spielten sie gut sichtbar bei TV-Auftritten und nun wollte jeder Gitarrist in England einen VOX-AC-Verstärker haben – auch die aus Hamburg zurückgekehrten Beatles. Und als diese nur zwei Jahre später in der Ed Sullivan Show die USA im Sturm eroberten – und dabei VOX AC30-Verstärker spielten – wollten auf einmal auch amerikanische Gitarristen diesen „British Sound“.
VOX contra Fender: die Schlacht der Verstärkermarken
Doch während nun VOX und Fender um die Vorherrschaft bei den Gitarrenverstärkern kämpften, tüftelte in London der Besitzer eines Musikinstrumentenhandels namens Jim Marshall am nächsten „Urknall“: Er erkannte den Bedarf nach noch größeren Lautstärken, da die Stars des Rock ’n’ Rolls inzwischen in großen Hallen spielten. So entwickelte Marshall 1965 einen 100-Watt-Röhrenverstärker basierend auf dem Fender Bassman. Das begeisterte sofort ein paar seiner Kunden: Pete Townshend (The Who), Ritchie Blackmore (Deep Purple), Jimmy Page (Led Zeppelin) und Eric Clapton – die nicht nur die hohe Lautstärke schätzten, sondern auch den rauhen, aggressiven Sound.
Die Ausbreitung des British Sound: von Hard Rock bis Heavy Metal
Ein verzerrter Gitarrenton war nun ein Element der Klangformung und des künstlerischen Ausdrucks geworden. Damit ebnete Marshall den Weg für den Hard Rock der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Das Marshall-„Full Stack“ (100-Watt-Verstärker mit zwei Boxen) wurde in kurzer Zeit das Statussymbol von Rock-Gitarristen auf der ganzen Welt. Dieser Erfolg fand schnell Nachahmer und andere englische Ingenieure entwickelten ihr eigenes „Full Stack“. So entstanden die Marken Orange (Fleetwood Mac!), Laney (Black Sabbath!) und Hiwatt (The Who!), die auch heute noch Gitarrenverstärker produzieren.
Das bleibende Erbe: die Unsterblichkeit des British Sound
Erst als Mitte der 80er das Heavy-Metal-Genre auf immer stärker verzerrte Gitarrensounds drängte, passte der schneidende „British Sound“ nicht mehr richtig. Doch die klassischen Vox- und Marshall-Verstärker haben nie an Beliebtheit verloren und sind heute gesuchte Sammlerstücke. Auch erscheinen immer noch neue Verstärker-Modelle (nicht nur von Marshall und Vox), die sich klangmäßig an den englischen Klassikern orientieren. Denn der „British Sound“ ist noch lange nicht museumsreif – britische Gitarrenverstärker finden sich weiterhin in den besten Tonstudios und auf unzähligen Bühnen der Welt.
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