Kein Geringerer als König Heinrich VIII gründete die Church of England, die sich im Laufe der Zeit zur Anglican Church entwickelte. Dies geschah jedoch nicht aus Glaubensgründen, sondern weil er sich von seiner ersten Ehefrau Katharina von Aragon scheiden lassen wollte, da sie ihm keinen Sohn gebar. Sein zuvor laut ausgeprochener Gedanke, sich „eine neue Ehefrau” zu holen, löste ein päpstliches Protestschreiben aus, was Heinrich aber nicht zu beeindrucken schien. Er trennte sich kurzerhand von Rom und gab im Jahr 1534 seine „Suprematsakte“ aus, weshalb er von Papst Paul III. exkommuniziert wurde. So konnte er sich von seiner ersten Frau scheiden lassen und Anne Boleyn heiraten. Allerdings gebar diese ihm auch „nur“ ein Mädchen, die spätere Königin Elisabeth I.
Die Bekehrung der Angelsachsen
Den „Grundstein“ der englischen Kirche legten Missionare unter Augustinus von Canterbury im Jahr 597. Die heidnische Bevölkerung, beherrscht von den Angelsachsen, einem germanischen Sammelvolk, das die Inseln im 5. Jahrhundert besiedelte, wurde so vom Süden her christianisiert. Augustus wurde zum ersten „Archbishop of Canterbury“, eine Rolle, die noch heute wichtig ist im Leben der Anglikaner.
Mit der Gründung der Church of England durch Heinrich VIII wurde die Canterbury Cathedral zum Herzstück der neuen Kirche: Sie wurde zum Sitz des Erzbischofs von Canterbury, der als geistliches Oberhaupt der Anglikaner fungiert. Dieser hat bei der Krönung eines englischen Monarchen eine wichtige Rolle, was die enge Verbindung zwischen Kirche und Staat unterstreicht.
Die Auflösung der Klöster
Im 11. und 12. Jahrhundert wurden in England unzählige Ordensgemeinschaften und Klöster gegründet, die dann von Heinrich VIII zwischen 1536 und 1541 aufgelöst, enteignet und teilweise zerstört wurden. Die Gebäude, die nicht sofort zerstört wurden, wurden später als Baumaterial genutzt, wovon heute noch viele Klosterruinen zeugen, wie z. B. die Ruinen von „Whitby“, „Fountains“, „Kirkstall“ oder „Rievaulx“.
Und obwohl der König ursprünglich ein Gegner Luthers und der Reformation auf dem Kontinent war, trennte er die Kirche Englands vom römischen Katholizismus. Er blieb im Herzen zeitlebens katholisch, förderte auf der anderen Seite aber den Druck einer englischsprachigen Bibel und veräusserte den Grossteil des Kirchenbesitzes. Leider gingen so viele wertvolle Manuskripte und Kunstwerke aus Klosterbibliotheken verloren!
Gelebter Glaube in Schottland und Wales
Während sich 1560 in Schottland die Church of Scotland namentlich durch den Reformator John Knox etablieren konnte und von Beginn an als presbyterianische Gemeinschaft fungiert, wird in Wales die Kirche erst seit 1920 „Church in Wales“ genannt. Sie gehört der anglikanischen Gemeinschaft an und erkennt den Erzbischof von Canterbury als Fokus des Glaubens an, jedoch ohne dessen Autorität über ihre Angelegenheiten. Rund 20% der schottischen Bevölkerung bekannte sich 2019 zur schottischen Kirche. Wie in anderen europäischen Ländern sinkt die Anzahl der Kirchenmitglieder von Jahr zu Jahr, auch wenn alle drei Religionen mit innovativen und sehr offenen Initiativen weiterhin für viele Menschen eine grosse Stütze und ein bedeutender Teil ihres Lebens sind.
Die anglikanische Kirche heute
Heutzutage zeichnet sich die anglikanische Kirche durch eine dynamische Balance zwischen Tradition und Innovation aus. Neue Ausdrucksformen, bekannt als "Fresh Expressions of Church", zielen darauf ab, Glauben und kirchliche Gemeinschaft in moderne, oft unkonventionelle Kontexte zu tragen. Gleichzeitig setzen viele anglikanische Pfarrer auf einen praxisorientierten, lebensnahen Predigtstil, was die Kirche volksnäher und pragmatischer erscheinen lässt. Diese Flexibilität zeigt sich auch in der Selbstbezeichnung vieler Gemeinden, die zunehmend den Begriff „Gemeinschaft“ anstelle von „Kirche“ verwenden. Im Spannungsfeld zwischen dem Bewahren jahrhundertealter Traditionen und der Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen strebt die anglikanische Kirche danach, den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft gerecht zu werden, ohne ihre historischen Wurzeln aufzugeben.
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