Es gibt Orte, die im kollektiven Gedächtnis immer in sanften Pastellfarben bleiben. Die englische Riviera, jener geschwungene Küstenabschnitt zwischen Torquay, Paignton und Brixham, gehört dazu. In den fünfziger Jahren reisten Familien im Austin an, trugen Strohhüte mit breitem Band und picknickten auf karierten Decken, während im Hintergrund ein Blasorchester den Soundtrack zum Sommer lieferte. Jahrzehntelang wirkte dieser Landstrich wie eine Urlaubspostkarte aus der Vergangenheit.
Seit einiger Zeit erlebt die Region jedoch eine bemerkenswerte Wiederentdeckung. Boutique-Hotels mit Art-Déco-Fassaden sind frisch gestrichen, viktorianische Seebrücken erstrahlen in neuem Glanz und Designer von London bis Brighton lassen sich von der Farbpalette Devons inspirieren. Türkis, Koralle und Cremeweiß, die einst an Eisdielen und Strandhütten verblassten, finden sich heute auf Stoffbahnen, Keramikfliesen und Tapetenrollen wieder.
Von Agatha Christie bis zur neuen Küstenästhetik
Die Riviera war nie nur Kulisse für Badegäste. Agatha Christie verbrachte hier ihre Sommer, und ihre Heimatstadt Torquay pflegt dieses literarische Erbe bis heute. Damals wie heute ist der Ort eine Mischung aus mondäner Gelassenheit und charmantem Eigenwillen. Designer greifen diese Atmosphäre auf. Rattanmöbel werden mit Samtsofas in Pastell kombiniert, maritime Streifen mit geometrischen Mustern. Alles wirkt wie eine Hommage an die Bäderarchitektur, jedoch frisch interpretiert und ohne den Staub vergangener Jahrzehnte.
Architektur als Vorbild
Die Hotels an der English Riviera, viele in den zwanziger und dreißiger Jahren erbaut, sind kleine Lehrstücke in Küstenarchitektur. Art-Déco-Bögen, weiße Putzfassaden und runde Balkone erinnern an eine Begegnung von Miami und Brighton. Heute interpretieren Architekten diese Elemente neu mit mehr Glasflächen, nachhaltigen Materialien und offenen Grundrissen, die den Blick aufs Meer zum Mittelpunkt machen. Selbst kleine Pensionen greifen den Look auf, streichen ihre Holzveranden in ein sanftes Seaside Blue und setzen auf Messingbeschläge statt Plastik.
Interior-Trend für Zuhause
Pastellfarbene Fassaden, geschwungene Balkone, Art-Déco-Fliesen und das Flair der fünfziger Jahre prägen inzwischen auch das Interior Design. Möbel im Riviera-Look setzen auf helle Hölzer, Rattan, Korbflechtwerk und Akzente in Korallenrot oder Aqua. Textilien greifen maritime Streifen, Palmenmotive oder geometrische Muster im Art-Déco-Stil auf. Die Wandfarben orientieren sich an der Küstenpalette mit warmen Sandtönen, gebrochenem Weiß und sanftem Türkis. Auf diese Weise zieht die sommerlich-leichte Ästhetik vom Ärmelkanal in moderne Wohnräume, ob Stadtloft oder Ferienhaus.
Mode im Riviera-Stil
Wer den Look modisch umsetzen möchte, wählt fließende Sommerkleider in Sorbetfarben und kombiniert sie mit Espadrilles oder flachen Slingbacks. Für Herren eignen sich Leinenhemden, hochgekrempelte Chinos und Bootsschuhe. Accessoires vervollständigen den Stil. Eine runde Basttasche, ein Panama-Hut und eine Sonnenbrille im Stil von Audrey Hepburn schaffen sofort Urlaubsstimmung. An deutschen Küstenorten wie Norderney oder Kühlungsborn funktioniert der Riviera-Look ebenso gut wie an der englischen Südküste.
Warum gerade jetzt
Der Trend passt in eine Zeit, in der nach Jahren minimalistischer Einrichtung und neutraler Farbpaletten wieder Lust auf Farbe und Romantik entsteht. Gleichzeitig erlebt der Küstentourismus in Südengland ein Comeback, unterstützt durch bessere Bahnverbindungen und eine jüngere Zielgruppe, die sich bewusst für nahegelegene Reiseziele entscheidet. Der Stil der English Riviera verbindet Nostalgie mit Nachhaltigkeit und Geschichte mit Gegenwart.
Wer einmal im goldenen Abendlicht an der Seepromenade von Torquay entlangspaziert ist, mit einem Glas Pimm’s in der Hand und dem Rauschen des Ärmelkanals im Ohr, versteht sofort, warum diese Ästhetik kein vorübergehender Trend ist, sondern Ausdruck eines Lebensgefühls.
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